Ein Verein, der einen Naturkindergarten unterhalten will, kann als nichtwirtschaftlicher Verein in das Vereinsregister einzutragen sein.

OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.2017 – 27 W 24/17

Abgrenzung wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Vereine

Das Oberlandesgericht Hamm hat eine interessante Entscheidung zur Frage von ideellem Hauptzweck und wirtschaftlichem Nebenzweck und zur Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vereinen getroffen. Nachfolgend der volle Urteilstext. Wichtige Stichpunkte habe ich fett markiert.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 18.01.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Registergericht – Essen vom 20.12.2016, nicht abgeholfen durch Beschluss vom 02.02.2017, aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, die Anmeldung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Mit Anmeldung vom 31.10.2016 haben die Beteiligten zu 2) bis 4) die Neuanmeldung des Vereins “X” – der Beteiligte zu 1) – zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet.

Das Amtsgericht hat daraufhin die Industrie- und Handelskammer Essen um eine Stellungnahme dazu gebeten, ob dort eventuell Erkenntnisse über die Errichtung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs vorliegen. In der Stellungnahme vom 28.11.2016 kommt die Industrie- und Handelskammer Essen zu dem Ergebnis, dass die Angelegenheit in Anbetracht divergierender Rechtsprechung und anhand der übermittelten Unterlagen nicht hinreichend bewertet werden könne.

Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2) – den Vorsitzenden des Beteiligten zu 1) – sodann unter Hinweis auf obergerichtliche Entscheidungen um eine Stellungnahme gebeten, weshalb von einem nicht wirtschaftlichen Verein ausgegangen werde. In der Stellungnahme vom 04.12.2016 hat der Beteiligte zu 2) für den Beteiligten zu 1) nähere Ausführungen vorgenommen. Unter dem 14.12.2016 hat Der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW – Kreisgruppe Essen – sich ebenfalls zum Sachverhalt geäußert.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 20.12.2016 hat das Amtsgericht die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass divergierende Rechtsprechung zu dem Thema vorliege, ob die Errichtung und Unterhaltung einer Kindertagesstätte in der Rechtsform des eingetragenen Vereins geschehen könne. Eine Entscheidung für das Bundesland Nordrhein-Westfalen läge noch nicht vor und solle hiermit herbeigeführt werden.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der rechtzeitig eingegangenen Beschwerde vom 18.01.2017. Der Beteiligte zu 1) führt hierin näher aus, weshalb er nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und in das Vereinsregister einzutragen sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter dem 02.02.2017 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht näher ausgeführt, dass den Ausführungen des Kammergerichts im Beschluss vom 18.01.2011 – 25 W 14/10 – gefolgt werde und das Vorliegen eines ideellen Vereins verneint würde. Die Vereinsmitglieder erfüllten ausschließlich administrative Aufgaben, während der Vorstand im Namen des Vereins geeignete Pädagogen zur Betreuung der Kinder einstelle. Hierbei trete der Verein in einen Wettbewerb mit anderen Erziehungseinrichtungen. Unter dem Gesichtspunkt des Nebenzwecks ergebe sich keine andere Wertung. Die Unterhaltung des Kindergartens sei vorliegend – was bereits der Name zeige – der Hauptzweck des Vereins. Steuerrechtliche Merkmale seien unbeachtlich. Zudem wäre ein Betrieb des Kindergartens über eine Kapitalgesellschaft als Träger möglich. Auch ein Förderverein könne zur Unterstützung gegründet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Eingaben und die Gründe der gerichtlichen Verfügungen und Entscheidungen verwiesen.

B.

Die nach den §§ 382 Abs.3, 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.

1) Auch für den Vorverein kann ein Rechtsmittel eingelegt werden, obwohl der Verein die Rechtsfähigkeit noch nicht erlangt hat. Ausreichend ist eine Vertretung durch dessen Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl (vgl. hierzu jeweils mit weiteren Nachweisen: OLG Schleswig NZM 2012, 623 f., Rn.17; OLG Hamm FGPrax 2003, 184 f., Rn.25). Da nach § 11 Abs.2 der Satzung des Vorvereins jedes Vorstandsmitglied allein zur Vertretung berechtigt ist, bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit der Beschwerdeeinlegung keine Bedenken.

2) Die Beschwerde ist auch begründet. Ein Hindernis, welches der begehrten Eintragung als nichtwirtschaftlicher Verein im Sinne des § 21 BGB entgegensteht, besteht nicht.

Hierbei ist im Ausgangspunkt für die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Vereinen mit der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur die sogenannte typologische Methode anzuwenden. Dabei ist von drei Grundtypen von Vereinen auszugehen, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Nicht nach § 21 BGB eintragungsfähig ist zunächst der Volltypus des unternehmerischen Vereins, der an einem äußeren Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet. Gleiches gilt für einen Verein mit einer derartigen unternehmerischen Tätigkeit an einem inneren, aus den Mitgliedern bestehenden Markt. Schließlich ist auch ein solcher Verein auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, der eine genossenschaftliche Kooperation betreibt, also von seinen Mitgliedern mit ausgegliederten unternehmerischen Teilaufgaben betraut wird. Nicht maßgeblich für die Abgrenzung ist dabei, ob der Verein eine Gewinnerzielungsabsicht hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass Wirtschaftsgüter planmäßig und gegen Entgelt angeboten werden, und zwar unabhängig davon, ob das Entgelt nur kostendeckend oder sogar verlustbringend ist. Wenn nach der Einordnung in einen der drei Typen von einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen ist, steht dies nur dann der Eintragung in das Vereinsregister nicht entgegen, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit als bloßer Nebenzweck in den Dienst des Hauptzwecks gestellt wird (vgl. insgesamt jeweils mit weiteren Nachweisen: OLG Schleswig ZStV 2013, 142 ff, Rn.27 ff; OLG Schleswig NZM 2012, 623 f., Rn.26 ff; KG Berlin, FGPrax 2016, 115 ff, Rn.16 ff; Weick in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2005, § 21 Rn.5 ff; Westermann in Erman, Kommentar zum BGB, 14. Auflage 2014, § 21, Rn.4; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 13. Auflage, Rn.122 ff). Gemessen daran bestehen vorliegend keine Bedenken, dass der Vorverein nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und damit den Voraussetzungen des § 21 BGB gerecht wird.

Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen wäre vorliegend zwar grundsätzlich von der Erbringung von unternehmerischen Tätigkeiten auszugehen, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese nur auf Vereinsmitglieder beschränkt oder auch einzelnen Dritten angeboten werden. Das Amtsgericht hat nämlich ebenso zutreffend seiner Beurteilung zu Grunde gelegt, dass der Betrieb der Kindertagesstätte jedenfalls den maßgeblichen Schwerpunkt der Betätigung des Beteiligten zu 1) bildet und bilden soll.

Der Vorverein beruft sich aber zu Recht darauf, dass der Betrieb des Kindergartens als bloßer Nebenzweck in den Dienst des Hauptzwecks gestellt wird. Bei der Beurteilung ist nämlich zu berücksichtigen, dass der eigentliche Zweck im Sinne der gesetzlichen Regelungen vorliegend die Kinder- und Jugenderziehung im Rahmen eines bestimmten pädagogischen Vorhabens ist. Dieser Zweck ist ideeller Natur. Die zwischenzeitlich seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches erheblich veränderten Rahmenbedingungen, insbesondere die Anforderungen in materieller Hinsicht, haben auf diese eigentliche Zweckbestimmung keinen Einfluss (vgl. eingehend mit weiteren Nachweisen: OLG Brandenburg, NZG 2015, 922 ff, Rn.8 ff; OLG Stuttgart, RdLH 2015, 102 f., Rn.13 ff; OLG Schleswig, ZStV 2013, 142 ff, Rn.32 ff).

So sieht § 3 des Gesetzes zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz – KiBiz) für Nordrhein Westfalen ausdrücklich vor, dass Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege einen eigenständigen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag haben. Die Förderung des Kindes in der Entwicklung seiner Persönlichkeit und die Beratung und Information der Eltern insbesondere in Fragen der Bildung und Erziehung sind hiernach Kernaufgaben der Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege. Dies ist der übergeordnete ideelle Zweck, der auch vorliegend dem Betrieb eines Kindergartens in Elterninitiative zu Grunde liegt. Nach § 2 Abs.1 der Satzung ist der Zweck des Vereins die Jugendhilfe durch Förderung der Erziehung, der körperlichen und geistigen Entwicklung sowie des Sozialverhaltens, der Eigeninitiative und der Selbständigkeit von Kindern im Vorschulalter. Nach § 2 Abs.2 der Satzung wird dieser Zweck insbesondere durch die Einrichtung und Unterhaltung einer in Elternarbeit betriebenen Kindertagesstätte in Form eines Naturkindergartens verwirklicht. Nach § 3 der Satzung verfolgt der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung 1977 (§§ 52, 53 ff AO). Nach § 9 Abs.3 der Satzung haben die Mitglieder pro Familieneinheit eine von der Mitgliederversammlung festgesetzte Anzahl von Pflichtstunden zu leisten.

Die daneben erforderliche Beschäftigung von Fachpersonal ändert an dieser Beurteilung nichts, da es sich hierbei wiederum nur um einen Ausschnitt der – notwendigen – Rahmenbedingungen handelt. Die Betrachtung des Amtsgerichts unter Betonung der administrativen Tätigkeiten der Mitglieder stellt demgegenüber für die Abgrenzung nicht den wesentlichen Gesichtspunkt dar. Maßgeblich ist, dass im Vordergrund die Förderung auf der Grundlage eines bestimmten, auf einer Naturverbundenheit basierenden Erziehungskonzepts unter erheblicher Einbindung der Vereinsmitglieder steht. Diese Wertung wird durch die beabsichtigte Ausgestaltung der Kindertagestätte untermauert. Hiernach ist ein Waldkindergarten mit achtzehn bis zweiundzwanzig Kindern unter der vorstehend geschilderten Einbindung der Mitglieder im Wege der Pflichtstunden vorgesehen.

Ohne Relevanz ist der ergangene Bescheid nach § 60a Abs.1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsgemäßen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO. Es bedarf keiner Entscheidung, ob steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der Abgabenordnung für das Vorliegen einer nicht wirtschaftlichen Tätigkeit sprechen. Hierfür wird angeführt, dass die Anerkennung steuerbegünstigter gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke erfordere, dass die Tätigkeit und die tatsächliche Geschäftsführung auf die Förderung oder Unterstützung solcher Zwecke gerichtet sind (vgl. hierzu wiederum: OLG Schleswig, ZStV 2013, 142 ff, Rn.57 ff; siehe aber auch: KG Berlin, FGPRax 2016, 115 ff, Rn.33 ff). Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Maßgeblich ist, dass in Anbetracht der über die beabsichtigte Tätigkeit bekannten Umstände keine Zweifel dahingehend bestehen, dass die Zweckangabe in der Satzung zutrifft. Dem vom Amtsgericht zitierten Beschluss des Kammergerichts Berlin – 25 W 14/10 – vom 18.01.2011 lag demgegenüber ein Sachverhalt zu Grunde, wonach der Betrieb von Betreuungszentren und die Unterhaltung von Kindergärten, Jugend- und Familienzentren sowie die Durchführung von Veranstaltungen zur Jugendbildung, Familienberatung und von Sportveranstaltungen vorgesehen war. Demgegenüber stellt der vorliegend zur Beurteilung anstehende Verein eine Elterninitiative dar, die ihre ideellen Ziele in einem überschaubaren Rahmen verwirklichen will. Insoweit ist der Sachverhalt gerade nicht mit Fallgestaltungen vergleichbar, in denen bereits Art, Umfang und Ausgestaltung der Tätigkeit demgegenüber gänzlich anders gestaltet sind. So lag dem weiteren Beschluss des Kammergerichts Berlin – 22 W 88/14 – vom 16.02.2016 (abgedruckt in: FGPrax 2016, 115 ff) ein Verein zu Grunde, der 24 Kindertagesstätten in sechs Bezirken mit 2.412 Kindern betreute, wobei rund 750 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den rund 50 Einrichtungen und Projekten tätig sind (siehe dort Rn.25). Über eine derartige Vereinigung ist vorliegend aber nicht zu entscheiden. In dem letztgenannten Beschluss des KG Berlin wird unter Verweis auf die vorstehend genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 23.06.2015 und des Oberlandesgerichts Schleswig vom 18.09.2012 gerade der Unterschied zu Fallgestaltungen hervorgehoben, in denen besondere Beziehungen der Kindeseltern zum Verein bestehen, insbesondere in Fällen eines Elterninitiativkindergartens (vgl. dort: Rn.27 und Rn.36). Diese Sichtweise ist jedenfalls – wie zuvor ausgeführt – auch vorliegend angezeigt.

Im Einklang hiermit enthält auch § 20 Abs.1 KiBiz NRW besondere Regelungen für Vereine, die in Elterninitiativen geführt werden. Ebenso zutreffend verweist der Beteiligte zu 1) darauf, dass der Gesetzentwurf zum KiBiz – Drucksache 14/4410 – vom 23.05.2007 hierzu (vgl. dort Seite 55-56) näher ausführt, weshalb auch eine erhöhte Förderung von Elterninitiativen als erforderlich angesehen wird. Auch dies spricht für die Annahme eines ideellen Zwecks derartiger Initiativen.

3) Der angefochtene Beschluss ist nach § 69 Abs.1 FamFG aufzuheben und die Sache an das Registergericht zurückzuverweisen, da die Entscheidung einer besonderen Ausführungshandlung bedarf, für die funktional allein das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig ist. Hierbei hat das Registergericht nach § 69 Abs.1 S.4 FamFG die rechtliche Beurteilung des Senats zu beachten.

4) Die Wertfestsetzung beruht auf den § 36 Abs. 3 GNotKG.

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Oliver Vogelmann-Kopf

Rechtsanwalt für Vereinsrecht

Vereinsrecht Marburg

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